„Bleibt standhaft und unbequem, dann werden die politischen Veränderungen bald kommen“
Von Franken nach Berlin und zurück – über 1000 Kilometer reißt Fritz Haspel jedes Jahr im Januar auf seinem Traktor ab, um bei der Demo in Berlin dabei zu sein. Der 62-Jährige bewirtschaftet einen konventionellen Ackerbaubetrieb mit 35 Hektar in der Nähe von Ansbach. Wenn er in vier Jahren in Rente geht, schließt er seinen Betrieb aus Mangel an einer geeigneten Hofnachfolge. Auch wenn die Lage der Landwirtschaft nicht immer rosig aussieht, ist Fritz fest überzeugt, dass sich die Agrarpolitik bald zum Guten ändert. Wir haben mit ihm über die anstehende GAP-Reform, abenteuerliche Traktorfahrten und das freudige Wiedersehen mit alten Bekannten bei der Demo gesprochen.
Fritz, du bist schon viele Jahre Bauer. Wie siehst du die Entwicklung der Landwirtschaft, seitdem du angefangen hast?
Als ich den Hof 1983 übernommen habe, gab es 13 Betriebe bei uns im Ort. Jetzt sind davon noch sieben übriggeblieben und nur noch vier halten Tiere. Die Bauern sind alle so alt wie ich und gehen bald in Rente, oft fehlen einfach die Hofnachfolger.
Früher haben die Bauern im Ort das Essen hergestellt, jetzt macht ein Betrieb nach dem nächsten zu. Wer produziert denn in Zukunft unsere Lebensmittel?
Wenn man in die Geschichte blickt, dann haben eigentlich immer die Bauern das Essen produziert. Ohne funktionierende Landwirtschaft, keine gesellschaftliche Entwicklung – das war schon immer so. Solange die Leute hungern, gibt es zum Beispiel kein Handwerk. Gut möglich, dass man sich in Deutschland auch ohne einheimische Landwirtschaft ernähren könnte. Aber ob man das will und ob das gut wäre, ist eine andere Frage. Denn das bedeutet auch lange Transportwege, die den Klimawandel noch weiter anheizen.
2019 entscheidet sich auf EU-Ebene, was zukünftig mit den 60 Milliarden Euro geschieht, die die EU jedes Jahr in die Landwirtschaft steckt. Was muss Agrarministerin Klöckner bei den Verhandlungen in Brüssel tun, damit die Höfe erhalten bleiben und die Landwirtschaft fit für Zukunft wird?
Das Ziel muss eigentlich sein von den Subventionen wegzukommen. Wenn wir faire Erzeugerpreise hätten, dann könnten die Subventionen zurückgefahren werden. Wie sollen wir jemals zu einer Wertschätzung von Lebensmitteln kommen, wenn sie zu Dumpingpreisen verkauft werden und die Leute sie einfach gedankenlos wegschmeißen können? Essen darf nicht mehr unter dem Erzeugerpreis produziert werden und Hartz 4 müsste gleichzeitig angehoben werden.
Ein Thema bei der Demo ist ja der Ökolandbau, du führst aber einen konventionellen Betrieb. Hast du mal überlegt umzustellen? Was hat dich daran gehindert?
Bei uns würde das nur Sinn machen, wenn der Betrieb weitergeführt würde und man mit Selbstvermarktung anfangen würde. Ich versuche auf Pestizide zu verzichten, bei meinem Getreideanbau nutze ich zum Beispiel gar keine. Letztlich komme ich damit betriebswirtschaftlich auch besser weg, weil ich keine Kosten für Spritzmittel und die Maschinen habe.
Wie fändest du es denn, wenn mit den GAP-Subventionen die Ernteausfälle für Betriebe, die nicht spritzen, ausgeglichen würden?
Das wäre für mich hochinteressant. Wenn ich eine höhere Förderung bekäme, weil ich nicht spritze, würde ich wahrscheinlich unterm Strich besser fahren, als einer der spritzt. Es sollte eigentlich so sein, dass öffentliches Geld auch für öffentliche Leistungen verwendet wird. Aber ich sehe das noch nicht. Von der Politik kommen keine Impulse in dieser Richtung.
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland will keine Pestizide wie Glyphosat auf dem Acker. Was muss die Politik machen, damit der Pestizidausstieg klappt?
Man müsste erstmal in den Landwirtschaftsschulen anfangen. Wenn den Lehrlingen nichts anderes beigebracht wird als Pestizide, dann braucht man sich nicht wundern, wenn sie nichts anderes können. Der Lehrplan müsste Alternativen vermitteln. Es muss auch nicht alles unkrautfrei sein. Man muss erstmal lernen zu beurteilen, wie viel Unkraut tolerierbar ist.
Verstehe, wir brauchen also mehr Toleranz für Unkraut?
Ja, ich muss sehen, wie viel ich ohne Spritzen tolerieren kann. Seit sechs Jahren habe ich nicht einmal spritzen müssen, auch wenn ich sagen muss, dass es manchmal grenzwertig war. Ich muss mir dann überlegen, lasse ich die Unkrautflächen drin und habe dadurch Einkommenseinbußen oder spritze ich sie weg? Bis jetzt hab ich sie immer gelassen. In Anbetracht der Ernte, die ich letztlich eingefahren habe, war das im Endeffekt auch richtig.
Am 19. Januar heißt es in Berlin wieder „Wir haben Agrarindustrie satt!“. Bist du auch dieses Mal mit dem Traktor dabei?
Natürlich komme ich. Das ist jetzt das vierte Mal. Ich fahre donnerstags früh um 5 Uhr los und komme dann am Freitagnachmittag in Blankenfelde an. Auf halber Strecke übernachte ich bei Bekannten, die ich über die Demo kennengelernt habe. Das ist eine richtig gute Freundschaft geworden und ich freue mich schon total auf die Übernachtung dort.
Du fährst über 500 Kilometer nur auf dem Hinweg. Im letzten Jahr hattest du die weiteste Anreise aller Traktorfahrer*innen. Wie bist zu dazu gekommen, mit dem Traktor nach Berlin zu fahren?
Ich war früher beim Bund Deutscher Milchviehhalter, als ich noch die Kühe hatte. Wir sind damals zu quasi jeder Agrarministerkonferenz im süddeutschen Raum gefahren. Da kam die Idee auf, auch mal nach Berlin zu fahren. Als mich in einem Jahr das Thema der Demo angesprochen hat, bin ich halt losgefahren. Seitdem bin ich immer dabei und so lange ich das körperlich noch kann, mache ich das auch weiter.
Letztes Jahr bist du trotz Unwetter losgefahren. Ganz schön unerschrocken!
Ich war dann der Einzige auf der Straße, weil ja alles wegen der umgestürzten Bäume gesperrt war. Da musste ich über zahlreiche Bäume drüber und hatte auch einen Schaden: Die Hydraulikleitung war gequetscht. Zum Glück habe ich es noch zum Übernachtungsort geschafft. Die Tochter von meinen Freunden ist Landmaschinentechnikerin und hat den Traktor repariert. So konnte ich dann am nächsten Tag zum Glück weiter.
Denkst du dir nicht in solchen Situationen: Bin ich verrückt, was mache ich hier eigentlich?
Nein, wir wollen ja was erreichen. Und weil wir das noch nicht geschafft haben, müssen wir weiter machen. Dass es dauert, ist doch klar. Die Politik darf sich nicht erpressen lassen, sonst könnte ja jedes Jahr ein Anderer kommen und immer wieder etwas Neues verlangen. So funktioniert das nicht. Wir müssen langfristig Überzeugungsarbeit leisten, damit sich etwas ändert. Leider sind die Aussichten mit der Nachfolgerin von Ex-Minister Schmidt nicht viel besser geworden.
Und wie ist es dann, wenn du beim Bauerntreffpunkt in Blankenfelde ankommst und auf die Berufskolleg*innen aus ganz Deutschland triffst?
Das Gefühl ist überwältigend, man kann das eigentlich gar nicht in Worte fassen. Das ist Euphorie pur. Wenn ich nach Hause komme, hält sie immer noch an. Man trifft da viele Gleichgesinnte. Aber selbst den Berufskollegen, die nicht unserer Meinung sind, nötigt es Respekt ab, dass ich soweit fahre.
Wir fordern bei der Demo am 19. Januar eine faire GAP-Reform und klimagerechte Landwirtschaft – was ist deine Botschaft an die Bewegung?
Meine Botschaft ist: Bleibt standhaft und unbequem, dann werden die politischen Veränderungen bald kommen. Es geht in die richtige Richtung, aber leider noch viel zu langsam, deswegen müssen wir dranbleiben. Wir müssen unsere Botschaft wiederholen, bis sie fruchtet. Es ist wie im Ackerbau: Wir müssen verschiedene Sachen immer weiter probieren, bis sie irgendwann zum Erfolg führen!